Neue Pflicht für Webshop-Betreiber
Warum sich Barrierefreiheit im Online-Shop für alle Anbieter lohnt und wie Unternehmen die neue Pflicht am besten umsetzen.
Warum sich Barrierefreiheit im Online-Shop für alle Anbieter lohnt und wie Unternehmen die neue Pflicht am besten umsetzen.
Ab Mitte 2025 müssen Webshops barrierefrei sein – so schreibt es das neue Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) vor. Zwar gilt die Pflicht zunächst nur für B2C-Anbieter, doch auch im B2B-Bereich lohnt sich die Umsetzung. Denn Barrierefreiheit im Online-Shop trägt nicht nur zur Inklusion bei, sondern verbessert auch das Google-Ranking und bringt für alle Anwender mehr Komfort. So können Unternehmen die Customer Experience verbessern, ihre Marke stärken und den Umsatz steigern. Mittelstand Heute zeigt, worauf Betreiber achten sollten.
Eine Website gilt dann als barrierefrei, wenn Menschen mit körperlicher oder geistiger Einschränkung sie ohne besondere Erschwernis und ohne fremde Hilfe auffinden, erreichen und nutzen können. Konkret bedeutet das: Ein barrierefreier Online-Shop muss auch ohne Maus und ohne visuelle Eindrücke bedienbar sein. Unternehmen müssen Informationen über mehr als einen Sinneskanal bereitstellen und leicht verständlich gestalten. Inhalte sollten sich zum Beispiel mit einem Screenreader vorlesen lassen, Schriftgrößen und Kontraste sollten anpassbar sein.
Uns allen – so antwortet die Aktion Mensch auf diese Frage. Für zehn Prozent der Menschen ist Barrierefreiheit unerlässlich, weil sie beispielsweise schwerbehindert sind. Für 30 Prozent ist sie notwendig, da sie an Sehschwäche leiden, motorische Einschränkungen haben oder einfach Nicht-Muttersprachler sind. Und für 100 Prozent der Menschen ist Barrierefreiheit hilfreich, weil wir alle einmal zeitweise Einschränkungen erleiden oder schlicht in Situationen geraten, in denen wir durch unsere Umgebung behindert werden. Dazu können schon eine Bahnfahrt oder eine laute Geräuschkulisse im Hintergrund zählen.
In Deutschland leben etwa 7,8 Millionen Menschen mit anerkannter Schwerbehinderung. Doch bisher ist nur ein Fünftel der Online-Shops barrierefrei, so eine Studie von Aktion Mensch und Google. Dabei kaufen gerade Menschen mit Schwerbehinderung häufiger online ein als andere. Damit sie Produkte und Dienstleistungen auswählen und bestellen können, sind sie zum Beispiel auf Eingabehilfen wie Sprachsteuerung, Screenreader, Braille-Tastatur oder Joysticks angewiesen. Doch viele Webseiten unterstützen diesen Zugang bisher noch nicht oder nur schlecht. De facto sind dadurch viele Menschen vom digitalen Leben ausgeschlossen. Das muss sich ändern: Ein barrierefreies Internet sollte genauso selbstverständlich sein wie Rampen und Fahrstühle am Bahnhof, die leider auch noch allzu oft fehlen.
Tatsächlich kommt Barrierefreiheit im Online-Shop allen Nutzern zugute – nicht nur Menschen mit Beeinträchtigung. Jeder freut sich zum Beispiel, wenn er den Kontrast so anpassen kann, dass er die Inhalte auch im grellen Sonnenlicht gut erkennt. Wir alle werden irgendwann älter und tun uns mit kleinen Schriften schwer. Wäre es nicht schön, wir könnten dann einfach hineinzoomen und die Darstellung vergrößern? Webshop-Betreiber, die solchen Nutzerkomfort bieten, verbessern die Customer Experience und erhöhen die Verweildauer auf ihren Portalen. Dadurch können sie die Conversion-Rate und ihren Geschäftserfolg steigern. Gleichzeitig verbessert die Barrierefreiheit ganz nebenbei das Google-Ranking, denn auch die Suchmaschine schätzt klar strukturierte Websites mit leicht zugänglichen Inhalten.
Für B2B-Unternehmen ist Barrierefreiheit im Online-Shop ein lohnendes, freiwilliges Ziel. Für B2C-Shops wird sie dagegen ab dem 28. Juni 2025 Pflicht. Dann tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft, das die EU-Barrierefreiheitsrichtlinie umsetzt. Schon heute müssen öffentliche Einrichtungen und Behörden ihre Produkte und Dienstleistungen barrierefrei gestalten. Das neue Gesetz weitet diese Pflicht erstmals auf private Wirtschaftsakteure aus. Nicht betroffen sind B2B-Shops, die eindeutig als solche agieren, und Kleinstunternehmen, die weniger als zehn Personen beschäftigen und einen Jahresumsatz von höchstens zwei Millionen Euro erzielen. Bei Verstößen droht ein Bußgeld von bis zu 100.000 Euro. Verbraucher und Verbände können die Marktüberwachungsbehörde dazu auffordern, Audits durchzuführen und Maßnahmen zu ergreifen.
Ob verpflichtet oder freiwillig: Es lohnt sich, den eigenen Webshop einmal zu überprüfen und das Thema Barrierefreiheit bald anzugehen. Als Orientierungshilfe dienen dabei die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) des World Wide Web Consortiums (W3C). Auf die folgenden fünf Kriterien sollten Anbieter besonders achten, um Barrierefreiheitsanforderungen umzusetzen:
Wenn sich Texte deutlich vom Hintergrund abheben, wird eine Website leichter lesbar. Die WCAG empfehlen daher für die visuelle Darstellung von Text und Textbildern ein Kontrastverhältnis von mindestens 4,5 zu eins, bei großflächigem Text von drei zu eins. Ausgenommen sind rein dekorative Elemente und Logos. In manchen Fällen lässt sich diese Vorgabe nicht mit den CI-Richtlinien des Unternehmens vereinbaren. Hier bietet sich zum Beispiel ein Button an, über den der Anwender die Ansicht einfach auf einen Dark-Mode umstellen kann. Die Farben werden dann über CSS (Cascading Style Sheets) dynamisch verändert.
Eine saubere technische Struktur der Website bildet die Voraussetzung dafür, dass sie mithilfe von Screenreadern sinnvoll vorlesbar und navigierbar wird. Insbesondere Überschriften und Unterüberschriften müssen klar als H1 und H2 ausgezeichnet sein. Für einige Unternehmen bedeutet das, dass sie die Formatierung ihrer Designs verändern müssen. Denn es hilft nichts, wenn ein Text zwar groß, aber nicht logisch als Hauptüberschrift erkennbar ist. Außerdem brauchen Links aussagekräftige Texte, Bilder einen Alternativtext. Letzterer wird üblicherweise nur dann angezeigt, wenn ein Bild nicht geladen werden kann, ist aber im HTML-Code hinterlegt und für Screenreader und Google lesbar.
Texte, die Informationsträger sind, sollten sich ohne zusätzliche Hilfsmittel auf bis zu 200 Prozent vergrößern lassen, ohne dass dabei Inhalt oder Funktionalität verloren gehen. Um die Zoomstufe zu verändern, bieten sich zum Beispiel Icons, Links oder einen Schieberegler als Bedienelemente an.
Viele Websites nutzen Videos, um Inhalte zu präsentieren oder zu erklären. Damit die Clips barrierefrei werden, brauchen sie mindestens Untertitel. Noch besser: Einige Videoplayer bieten auch die Möglichkeit, die Bildsättigung und die Kontraste anzupassen.
Letztlich stellen auch unangemessene Dateigrößen digitale Barrieren für alle Nutzer da. So leiden noch immer zahlreiche ländliche Regionen an schlechter Netzqualität, wovon auch – wenn auch im weit geringeren Maße – Zugreisende betroffen sind. Lange Download-Zeiten schaden der Customer Experience deutlich.
Zunächst sollten Sie einen objektiven Audit durchführen, um zu ermitteln, wie barrierefrei Ihr Online-Shop bereits ist und an welchen Stellen Sie noch optimieren müssen. Eine erste Orientierung bieten zum Beispiel Tools wie Google Lighthouse oder die WAVE-Suite (Web Access Evaluation Tools). Grundsätzlich empfiehlt es sich, die Websites der verschiedenen Behindertenverbände zu konsultieren, mehrere Tools zu nutzen und die Ergebnisse zu vergleichen. Keine Panik: Kaum eine Unternehmens-Website wird den Barrierefreiheits-Test zu 100 Prozent bestehen. Vielmehr geht es darum, die größten Baustellen zu identifizieren, zu priorisieren und Handlungsempfehlungen abzuleiten. Dabei kann zum Beispiel ein unabhängiger Berater wie All for One unterstützen.
Manchmal reicht schon eine kleine Anpassung, um eine Website auf Barrierefreiheit zu optimieren, manchmal sind größere Design-Umstellungen nötig. Neben dem Online-Shop können auch mobile Apps betroffen sein. Daher empfiehlt es sich, bald einen Audit durchzuführen, um das Projekt in aller Ruhe angehen zu können. Ganz gleich, ob Kür oder Pflicht: Barrierefreiheit im Webshop lohnt sich für alle Anbieter, die die Customer Experience verbessern möchten. Zudem können Unternehmen damit marketingwirksam demonstrieren, dass sie ihre gesellschaftliche Verantwortung ernst nehmen. Gut denkbar, dass es künftig sogar ein Prüfsiegel für barrierefreie Onlineshops geben wird. Auch dieses würde sich übrigens positiv auf das Google-Ranking auswirken.
Quelle Aufmacherbild: KI-Bild erstellt mit Midjourney